Der Stuhl
Der Zahn der Zeit nagt und frisst an allem. Einst so schön und nützlich,
gab er einem doch halt wenn die Beine nicht mehr stehen wollten, ist
er nun alt und gebrechlich, gar wackelig und nur noch ein trauriges
Gestell aus Holz und abblätternder Farbe. Zu nichts mehr zu gebrauchen
und doch unmöglich ihn zum alten Eisen zu stellen. Vorbei die Zeiten als
seine müden Besitzer sich auf ihm ausruhten und neue Kraft schöpften
oder deren Kinder über ihn hinweghüften und tobten. Lange ist es her,
als sein Besitzer ihn das letzte mal abschliff und neu Strich und nachdem
der Lack getrocknet war, fast zärtlich mit der Hand über ihn glitt. Noch
nicht einmal mehr den Schmutz, den die Kinder beim spielen auf Ihn
werfen macht heute noch jemand weg.
Unbeachtet steht er heute in der Ecke. Er, der einst so schön und standhaft
war. Stabil und erstrahlend in neuem Lack. Im Schatten und ungeschützt
fristet er im Hof sein Dasein, ob es regnet, stürmt oder schneit und selbst
die Strahlen der Sonne finden den Weg nicht mehr zu ihm zu seiner
schattigen Ecke um sein Holz ein wenig zu wärmen. So steht er da, wartend
und ohne Hoffnung.
Seine Beine werden wackelig, denn nicht nur der Lack, nein auch der Leim
löst sich langsam zwischen seinem maroden Holz. Große Stücke sind schon
herausgebrochen und schon lange hat keiner mehr den Mut gefunden sich
auf Ihn zu setzen.
Sie haben bereits für Ersatz gesorgt. Da stehen sie. Bruchsicher. Die neuen
Stühle, Stabil und aus Plastik strahlen sie in einem Glanz, den der alte
Stuhl verloren hat. Sie brauchen nicht lackiert und gepflegt zu werden wie
er. Das macht es einfach. Aber niemals wird einer der Neuen den Charme
und die Anmut besitzen, die er einst ausstrahlte.
Gestern hat sein Besitzer eine Axt neben Ihn gestellt ...
© VL 2006