Vierter Akt
Das Nächste, an das er sich erinnern kann, ist, dass eine nach der anderen dieser frauenhaften Wesen, seine Männlichkeit auf eine harte Probe stellten. Nachdem sie von ihm abgelassen hatten, schichteten sie in der Mitte des Dorfes Holz zu einem großeb Stapel auf und entzündeten es, um bei einbrechender Dunkelheit einen rituellen Tanz um dieses Feuer zu vollführen. Teilnahmslos und auf Flucht sinnend beobachtete der Einäugige an einen Pfahl gefesselt das Treiben der Amazonen. In ihren Augen war er schon tot, nur der Zeitpunkt seines übergang in das Reich Serigals war noch unklar. Eine mondlose Nacht brach an. Immer wilder tanzten sich die Amazonen in einen rauschähnlichen Zustand und keine nahm mehr Notiz von dem für sie inzwischen nutzlosen Opfer, mindestens eine hat von dem Einäugigen das erhalten, was ihren Stamm überleben lassen würde.
Der Einäugige saß gekrümmt an dem Obelisken der mit unzähligen Hieroglyphen und Fruchtbarkeitssymbolen übersäht war und rieb langsam und unaufällig seine groben Fesseln an dem Stein. Zuerst war noch ein leises Schaben zu hören aber je länger er arbeitete desto mehr verschluckte das Blut seiner Handgelenke das Geräusch einer nahender Flucht. Immer tiefer schnitt sich das Seil in seine Gelenke, aber Schmerz war ihm nicht fremd. Mit einem Ruck rissen seine Fesseln, als die letzte Faser am raughen Stein zerriss. Vorsichtig schaute er aus dem Augenwinkel zu den extatisch zuckenden Leibern die um das Feuer tanzten. Niemand hatte etwas bemerkt.
Plötzlich legt sich eine grazile Hand von hinten auf seinen Mund. "Pssst, wenn du leben willst, keinen Ton." Der süße Duft von Jasmin steigt ihm in die Nase. "Stell dich wieder hin und tu als wärst du noch gefesselt." Kaum steht er wieder am Stein, kommt eine Amazonenpatrouille vorbei und wirft ihm einen verächtlichen Blick zu. Sein Fäuste ballen sich aber bevor er sich seiner Mordlust hingeben kann, spürt er eine leichte Berührung, die ihn daran erinnert, das seine Flucht wichtiger ist. Als sie weg sind, verschmelzen der Einäugige und seine unbekannte Retterin mit der rabenschwarzen Nacht.
Durch dichtes Unterholz und unwegsamens Gehölz folgt er ihr, noch immer ohne zu wissen wer sie ist, geschweige denn wo sie ihn hinführen wird. Die ganze Nacht unterwegs, treffen sie bei Sonnenaufgang auf eine Lichtung. Sie bleibt stehen, zeichnet mit den Fingern geheimnisvolle Symbole in die Luft und murmelt etwas. In der flirrenden Luft erscheint ein gläsernes Portal das in rotem Licht pulsiert. Sie deutet ihm an ihr zu folgen und gleich darauf setzt sie einen Fuß auf die Stufen und verschwindet in einem Lichterflimmern zwischen den Säulen des Portals, der Einäugige zögert, doch dann setzt auch er den rechtren Fuß auf die Stufe - seine Haare stellen sich am ganzen Körper auf und er spürt die Energie bevor auch er in einem Flimmern diese Welt verläßt.
Und er träumt. Von einer Zeit ohne Verstümmelung, einer Zeit des Friedens und einer Welt ohne Tod und Verderben. So schön wie der Traum war, so schnell ist er auch schon vorbei und er stolpert in einen großen Saal aus schwarzem Mamor, dessen einzige Einrichtung ein ungemütlich aussehender, riesiger Obsidianthron ist. Und es ist kalt. So kalt das sein Atem in weißen Wölkchen vor seinem Mund steht. Er schaut sich um, doch seine Begleiterin ist verschwunden. Aber er spürt, daß er nicht alleine ist - und es ist mehr als ein Augenpaar, daß seine zögernden Schritte durch die marmorne Halle argwöhnisch verfolgen.
Unsichtbare Hände drücken ihn brutal vor dem Thron auf die Knie. Eine Gestalt in leuchtend weiße, wallende Gewänder gehüllt erscheint wie aus dem Nichts. Sie stellte sich vor ihn und unbewußt senkte der Einäugige den Kopf. Auch wenn er keinen Grund dazu hatte, fühlte er sich doch unwürdig, dieser Gestalt gegenüber zu stehen in seiner schwarzen, zerrissenen Lederkluft, die nach Tod und Verderben roch, während die Gestalt vor ihm Reinheit und Unschuld verkörperte. Die Luft scheint wie elektrisiert, die Haare auf seinem Armen stellen sich auf und er spürt ein kaltes Kribbeln hinter seinen Augen. Nach kurzer Zeit, die ihm jedoch wie eine Ewigkeit erscheinen fängt sein Blick an zu flimmern und er fühlt seine Sinne schwinden.
Er muß all seine Willensstärke aufbieten um nicht unter dem Druck seiner Erschöpfung
und der elektrisierenden Aura dieses Wesens zusammenzubrechen. Die Luft war aufgeladen und es roch nach Ozon, alles um ihn herum begann zu wabern und der Raum schien sich aufzulösen. Von den Seiten sah er verschwommene Schatten auf sich zukommen.
Er hatte das Gefühl jemand würde versuchen in seinen Kopf einzudringen, seine Gedanken zu lesen.
Dann hörte er ihre Stimme. Ein süßes Wispern, nicht lauter als ein Flüstern, hinter seinen Augen.
Leise, wie durch einen Nebel hörte er die Geschichte der Amszonen, eine Geschichte voll Leid und Tod, voll Bitterkeit und doch auch voller Hoffnung. Ihn fröstelte, als die Stimme ihm seinen Auftrag mitteilte. Wie in Trance schreitet der Einäugige durch ihre Reihen in Richtung des großen Tores, er hat einen Auftrag und er wird ihn erfüllen, selbst wenn es sein Leben kosten wird.
Geändert von blindguard (22.11.08 um 11:53 Uhr).
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