Und weil man ja auch im Winter etwas für die Fitness tun muss ..
Unter Spinnern
Es ist schon ein paar Jährchen her. Im Fitnessstudio wurde Spinning angeboten und ein Bekannter hat mir erzählt,
dass er sich seine Rennradfitness über den Winter beim Spinning konserviert. Also habe ich mich angemeldet.
Ich lasse mir bestimmt nicht nachsagen, dass ich nicht alles für meinen Weltmeistertitel tun würde.
Insgeheim war es aber meine feste Überzeugung, dass auf den Rahmen der Spinningräder,
die wie in einer Legebatterie für Bewegungslegastheniker nebeneinander stehen, exakt das steht,
was von den Leuten zu halten ist, die darauf Platz nehmen: Spinner.
Für mich gehört Fahrtwind, sichtbare und spürbare Geschwindigkeit zum Radfahren. Spinning dagegen ist wie Küssen ohne Lippenkontakt.
Ausgedacht hat sich die Radperversion der Südafrikaner Jonathan Goldberg, genannt Johnny G.,
gegen dessen Leidenschaft fürs Radfahren meine eigene nicht mehr ist als ein Passiönchen.
Und aus irgendeinem Grund ist der Ausdruck „Spinning“ auch ein geschützter Name.
Indoorcycling müsste man auf neudummdeutsch eigentlich sagen und schreiben.
Und so sitze ich an einem Dienstagabend in einem Raum mit etwa fünfzehn anderen Spinnern beiderlei Geschlechts und aller Altersklassen.
Zunächst weist mich ein unverschämt fit aussehender Trainer darauf hin, dass ich falsch sitze,
obwohl ich den Sattel genauso wie auf meinem Rad eingestellt habe.
Ein paar Minuten später spricht der Trainer mich wieder an. Seine Stimme hat nun etwas Mitleidiges.
Ich könne die Belastung – dafür ist an dem Gerät ein Rädchen angebracht mit dem man stufenlos den Widerstand
einstellen kann – gerne etwas niedriger halten. „Ich weiß ja nicht, wie fit du bist.“
„Jetzt hör gut zu, Muskelmännchen! Ich habe sämtliche Turnprofessoren überlebt und die Schinder beim Bundesheer.
Für diese Sonntagsausfahrt hier reichen meine beiden kleinen Zehen“, sage ich zu ihm – im Inneren meines Kopfes.
Sonst verhalte ich mich unauffällig. Eine weise Entscheidung. Denn es sollte der letzte klare Gedanke sein, zu dem ich in der folgenden Dreiviertelstunde fähig bin.
Der Trainer zieht den Regler des Mischpultes nach oben und brüllt, dass wir auch die Belastung nach oben drehen sollen.
Ich drehe den Knopf zu und habe bald das Gefühl mich in einer Steigung der Kategorie „Irrsinn“ zu befinden.
Die Lungenflügel fühlen sich jetzt an, als hätten sie sich zu zwei Fäusten verkrampft, die Oberschenkel scheinen sich verflüssigt zu haben.
„Die Muskel fangen an zu weinen“, habe ich in einem Bericht zur Tour de France gelesen. Meine haben einen Heulkrampf.
Außerdem habe ich das Gefühl unter einer Sprinkleranlage zu pedalieren so Schweißgebadet bin ich.
Zwei Räder neben mir sitzt ein Streber. Auf seiner Stirn hat sich ein dünner Schweißfilm gebildet.
Sonst scheint alles trocken zu sein. Ich wünsche ihm, dass sein Rad auf der Stelle explodiert.
Als die Musik nach einer Stunde leiser und das Tempo immer niedriger wird, ist mein Kopf ein helles Nichts.
Ich dachte Spinning sei wie Küssen ohne Lippenkontakt.
In Wahrheit ist es wie Fremdknutschen ohne Rechtfertigungsdruck.
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