Thema: Literatur Der Einäugige
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Alt 22.03.06, 15:28
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Scubamarco Scubamarco ist offline
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Erster Akt:
Dunkelheit durchströmt das karge Land, als der Einäugige durchnässt und vor Kälte zitternd,
in regengeschwängerter Nacht durch die Pforte des kleinen Tempels schreitet.
Er erblickt sorgenvoll eine Frau die auf einem mit Samt ummantelten Stuhl sitzt.
Ihre grünen Augen funkeln ihn im Scheine des Kamines an. Er mustert sie eindringlich und lässt
seinen Blick über ihren Körper schweifen, in ihren klugen Augen verharrend.
Doch der Hunger siegt über seinen Trieb und er nimmt das Brot entgegen, dass sie ihm reicht.
Er nimmt das Brot aus ihrer Hand entgegen und zieht ein altes Messer aus seiner Manteltasche,
kalt blitzt die Klinge auf der Tropfen geronnenen Blutes kleben. Die Frau, welche von edlem Geblüt
zu sein scheint beobachtet die Klinge und Ihren Träger, welcher sich einen Kanten Brot abschneidet
und einige dankbare Worte zu Ihr murmelt. Dabei hat er sich tief in den Finger geschnitten und
schreit laut auf. Vor Schreck gelähmt schaut sie den fallenden Bluttropfen nach. Sie kann sich nicht
mehr beherrschen und stürzt sich auf den Einäugigen.
Sie reisst einen Träger von ihrem Kleid und wickelt diesen um seinen blutenden Finger. Dabei nutzt
sie einen Moment der Unachtsamkeit ihrer Beute und schlägt ihre Fangzähne in den Hals des Einäugigen.
Sie spürt seine pochende Ader mit ihren vollen weichen Lippen.
Nachdem sie das Leben aus ihm heraus gesaugt hat, lackiert sie ihre Fußnägel weiter. Stellt dabei
ihre zarten Füße auf seinen erkaltenden Leib. Da geht sie zuckend, todeskrämpfe durchleidend zu
Boden und starrt ihn an, den Einäugigen, der sich langsam erhebt, die Falten aus seinen Umhang glättet,
Huginn auf seiner Schulter landen lässt und sie mit einem eisernen Blick straft. Plötzlich leuchtet der
Funke der Erkenntnis in ihren wunderschönen Augen auf, der mit ihrem schwindenden Leben auch
zugleich wieder erlischt.
„Wissen wollte ich dir bringen, den Tod jedoch hast du mehr verdient“ spricht er zu der leblosen Hülle
und macht sich wieder auf den Weg, weg von diesem Ort wo nicht zu finden, was er sucht.
Sein nachtschwarzer Mantel verschmilzt wieder mit der Dunkelheit die ihn, einem Racheengel gleich,
kurz zuvor geboren hatte. Einem Leichtuch gleich zieht ein unheilvoller Nebel auf und beginnt das kleine
Dorf zu verschlingen. Nie wieder sollte ein Sterblicher den Namen dieses Ortes erwähnen oder sich
an ihn erinnern.


Zweiter Akt:
Der Einäugige wandert in die Nacht hinein begleitet von seinen beiden getreuen Raben, nachdenklich über
das Geschehene und auf der Suche nach einem geeigneten Rastplatz, der seine müden Knochen beherbergt.
Würde diese Reise je ein Ende finden. Soviel haben seine eisblauen Augen schon gesehen. Zuviel.
Aber in seinem Innersten spürt er, das die Jahre der Entbehrung, des Schmerzes und der Gewalt ihrem
Ende entgegen gehen.
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Geändert von Scubamarco (22.03.06 um 15:32 Uhr).
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