Zweiter Akt:
Der Einäugige wandert in die Nacht hinein begleitet von seinen beiden getreuen Raben, nachdenklich über
das Geschehene und auf der Suche nach einem geeigneten Rastplatz, der seine müden Knochen beherbergt.
Würde diese Reise je ein Ende finden. Soviel haben seine eisblauen Augen schon gesehen. Zuviel.
Aber in seinem Innersten spürt er, das die Jahre der Entbehrung, des Schmerzes und der Gewalt ihrem
Ende entgegen gehen. Er trat hinaus auf das Plateau und schaute nach Süden, zu ihm, dem dunklen Turm
der ihm hoffentlich all die erwünschten Antworten bringen wird,
auf denen er seit Anbeginn der Zeit auf der Suche ist.
Aber bis dorthin ist es ein langer, langer Weg und er schließt müde die Augen auf seinem harten Lager,
das er sich auf dem Boden des Plateaus geschaffen hat.
Kaum hat er seine Augen geschlossen, holen ihn seine Träume wieder ein. Träume die ihn schon
so lange verfolgen. Krieg, das Schreien der verwundeten Männer, die fremden schwarzen Krieger, überall
Blut und immer wieder dieses elfengleiche Gesicht.
Einst hieß sie Chataya, doch diesen Namen trägt sie schon seit Äonen nicht mehr. Jetzt ist sie nur noch die
schwarze Fürstin. So schön wie grausam. Aber in seinen Träumen ist sie immernoch sein, quält ihn, liebt ihn, begehrt ihn.
Alpträume so grausam schön.
Er schreckt hoch aus den Träumen die ihn Nacht für Nacht heimsuchen, irritiert für einen kurzen Augenblick
bis er wieder weiss wo er ist, was er ist, wohin es ihn treibt, Tag ein, Tag aus
und wonach er sucht. Er packt seine wenige Habe, verwischt seine Spuren und
spricht ein schnelles Gebet zu den Göttern an die er eigentlich schon lange nicht mehr glaubt.
Ohne Hast begibt er sich zurück auf den Pfad der ihn zu dem Plateau geführt, die Augen offen,
wachsam und hungrig und folgt weiter dem Pfad in Richtung Süden.
Sein Atem erzeugt kleine Wölkchen vor seinem wettergegerbten Gesicht. Seit Tagen fällt die Temperatur
ins Bodenlose und das Land scheint im kalten Griff des Frostes zu erstarren. Raureif bedeckt Gräser und
Geäst und läßt die Natur in einem bizarren Glitzern und Funkeln leuchten, fast verträumt betrachtet er
die glänzenden Wasserperlen, aufgereiht auf einem Spinnenetz. Schon seit Tagen hat er kein Wild mehr
erblinkt und sein knurrender Magen und sein fehlendes Jagdglück weisen ihn schmerzlich darauf hin,
das er zum Teil immer noch ein Mensch ist. Tief in seinem Inneren wußte er aber das die Zeit der Entbehrungen
nun bald vorbei war; er schaute hoch in den Himmel, wo seine beiden Raben krächzend in großen Kreise flogen.
Seine getreuen Begleiter würden wie immer rechtzeitig warnen wenn sich ihm Nebmoks oder gar ein Windtänzer
nähen sollten.
Ein Knacken im Geäst am Wegrand durchbricht die Stille, als ein stolzer Hirsch vor dem Einäugigen auftaucht
und ihn neugierig beobachtet. Plötzlich verdunkelt da der Schatten eines riesigen Vogels das heraufziehende Tageslicht.
In diesem Moment erwacht der Krieger in ihm und sein Auge funkelt. In einer einzigen fließenden Bewegung
zieht er seinen Bogen vom Rücken und schneller als jedes Auge schauen kann, liegt der gefiederte Tod auf der Sehne.
Er spannt den Bogen, zielt und lässt den Pfeil von der Sehne schnellen, seinem Ziel entgegen.
Plötzlich scheint die Zeit langsamer zu vergehen und die Welt schrumpft auf die Spitze des tödlichen Geschosses zusammen.